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Clemens Oswald

Agora Techné - Campus für globale Handwerkstechnik

Prof. Annette Hillebrandt

Fakultät für Architektur und Bauingenieurwese, Lehrstuhl Baukonstruktion I Entwurf I Materialkunde

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Suche nach einer Ästhetik, einer architektonischen Haltung, die auf die Themen unserer Zeit antwortet. Heutige Fragestellungen, wie die nach der Einhaltung von Klimazielen, einer
ressourcenschonenden Lebensweise und einem gesamtgesellschaftlichen Wandel im Umgang mit unserer Umwelt, richten sich unumgänglich auch an die Architektur. 

Die Untersuchung soll also aufzeigen, auf welche Weise die Architektur von einer Ästhetik der Wieder- und Weiterverwendung von Materialien profitieren und mit diesem Gestaltungsprinzip den Themen unserer Zeit Rechnung tragen kann. Die Wiederverwendung von Materialien ist in der Architekturgeschichte nicht neu: vielmehr ist das stetige Neuproduzieren und die Kurzlebigkeit von Produkten und Bauwerken ein Phänomen der Industrialisierung. Die Dringlichkeit der Thematik hat angesichts des Klimawandels und der Verknappung von Ressourcen insbesondere in den letzten Jahren an Brisanz gewonnen. Architekt:innen und Akteure der Baubranche versuchen aktuell Antworten in Form von gebauten Projekten, Bauteilbörsen und nicht zuletzt in der Architekturausbildung zu liefern. Dabei spielt immer wieder der Begriff der Urbanen Mine eine wichtige Rolle. Sie dient als lokales Materiallager, das ungenutzte Ressourcen zurück in den Werkstoffkreislauf bringt und so Ausgangsmaterialien für eine neu zu denkende Gestaltung liefert. 

An diesen Punkt setzt die vorliegende Untersuchung an und stellt die Frage: Wie kann eine Architektur aussehen, die aus den ungenutzten anthroposphären Materialvorkommen schöpft und darin eine zeitgenössische Ästhetik etabliert? Dass in den Spuren des Gebrauchs gerade die Schönheit zu finden sein könnte und durch handwerkliche Weiterverarbeitung das Material eine neue Wertigkeit erfährt, soll mit dem Konzept des ReCraft untersucht werden. Der Begriff wird durch diese Arbeit eingeführt und soll eine gestalterische Herangehensweise im Umgang mit bereits gebrauchten Materialien beschreiben, bei der Akteure aus Gestaltung und Handwerk ihre Expertise zusammenführen und aus vermeintlichen Abfällen neue Baustoffe, Oberflächen und Fügungstechniken entwickeln. Diese Herangehensweise geht über eine reine Wiederverwendung von Bauteilen hinaus. Vielmehr wertet sie durch handwerkliche Weiterverarbeitung das gebrauchte Ausgangsmaterials auf und trägt dennoch die Spuren seiner Geschichte sichtbar nach außen. Dies schafft eine Sichtbarkeit, die den Perspektivwechsel von vertrauten Sehgewohnheiten zu einer Ästhetik der Wiederverwendung im Sinne des ReCrafts aufzeigt. Sie kann zum gesellschaftlichen Umdenken anregen, indem Klimaziele in Form von neuen Bauten visualisiert werden. Ihre Wertigkeit basiert also sowohl auf der handwerklichen Umsetzung, als auch auf dem gesellschaftlichen Mehrwert der Nachhaltigkeit.

Die theoretische Auseinandersetzung ist eng mit dem entwerferischen Teil der Masterthesis verbunden. Auf dem Gelände einer Industriebrache in der Stadt Elefsina, einem Vorort von Athen, sollen die Bestandsgebäude einer ehemaligen Destillerie zu einem Campus für globales Handwerk transformiert werden. Hier wird das immaterielle Kulturgut des Handwerks archiviert, gelehrt und weiterentwickelt, ehe es in Vergessenheit
geraten kann. In Form von „Craftmen and Craftwomen in Residency“-Programmen soll die Expertise aus aller Welt zusammenkommen, um angewandte Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu geben. Traditionelle Handwerkstechniken werden praktiziert und ausgestellt, um im nächsten Schritt auf Materialien der Urbanen Mine angewandt und weiterentwickelt zu werden. Die Stadt Elefsina, als einstige Industriemetropole Griechenlands, birgt ein großes Lager ungenutzter Ressourcen.

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zuletzt bearbeitet am: 12.12.2024

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